Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung, die es bei typischen Geschehensabläufen ermöglicht, von einer festgestellten Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder von einem festgestellten Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen.
Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (siehe dazu: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 128 RdNr 9 ff mwN; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2).
Es gibt indessen ersichtlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Arbeitnehmer in der Baubranche unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit und der Beschaffenheit ihres Arbeitsplatzes regelmäßig einer gesundheitsschädigenden Einwirkung von Asbeststäuben ausgesetzt sind oder waren.
Ein typischer Geschehensablauf - wie etwa der in der 3. Alternative der BK Nr 4104 der Anlage 1 zur BKVO normierte Tatbestand - ist deshalb hier gerade nicht nachgewiesen, so dass der Argumentation des Klägers schon im Ansatz nicht gefolgt werden kann.
Auch für die Annahme eines Beweisnotstands und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen ist hier kein Raum.
Zwar können Eigentümlichkeiten eines Sachverhalts in besonders gelagerten Einzelfällen Anlass sein, an den Beweis verminderte Anforderungen zu stellen (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; 24, 25, 28 f = SozR Nr 75 zu § 128 SGG).
Das bedeutet, dass der Unfallversicherungsträger oder das Gericht schon aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte von einem bestimmten Geschehensablauf überzeugt sein können (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - 2 RU 58/89 = HV-Info 1990, 2064).
Einen solchen Ausnahmefall hat die Rechtsprechung bei einer unfallbedingten Erinnerungslücke des Verletzten (BSG Urteil vom 12. Juni 1990 - aaO -) oder beim Tod eines Seemanns auf See aus unklarer Ursache ohne Obduktionsmöglichkeit (BSGE 19, 52, 56 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO) anerkannt.
Von diesen Ausnahmefällen abgesehen sind nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, ohnehin im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen.
Allgemeingültige Grundsätze zur Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würden dagegen dem in § 128 Abs 1 Satz 1 SGG verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung widersprechen (BSG Beschluss vom 18. Juli 1990 - 2 BU 37/90 - HV-INFO 1990, 1941).
Schwierigkeiten bei der Aufklärung viele Jahre zurückliegender Sachverhalte gerade im Hinblick auf Einzelheiten von Arbeitsvorgängen wie im vorliegenden Fall treten generell auf und können nicht zu einer regelmäßigen Annahme des Beweisnotstandes führen..."
siehe auch
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2021 aktualisiert
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