Knalltrauma

kann nicht als Berufskrankheit entschädigt werden:

Bundessozialgericht   B 2 U 6/04 R   12.04.2005  https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=24762

"...Es besteht aus Rechtsgründen auch anderweitig keine Veranlassung, Knalltraumen der BK 2301 der Anlage zur BKV generell zuzuordnen. Denn ein Knalltrauma erfüllt ohne weiteres die Merkmale des in § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII inzwischen gesetzlich definierten Unfallbegriffs, kann also als Arbeitsunfall zu entschädigen sein. Nach dieser Vorschrift sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Dem Unfallbegriff immanent ist seit jeher, dass das auf den Körper einwirkende Ereignis zu einem sog Erstschaden - und sei er auch gering - führt. Später zusätzlich eintretende Folgen des Unfalls sind ihm selbstverständlich auch zuzurechnen. Diese Unterscheidung zwischen Erstschaden und Folgeschaden ist geläufig (s nur Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 8 RdNr 270, 291 mwN). Führt das auf den Körper einwirkende Ereignis nicht zu einem Erstschaden, handelt es sich nicht um einen Unfall iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII...."
   

Bayerisches Landessozialgericht  

L 3 U 167/04  

29.03.2006  



...Zu unterscheiden sind dabei, je nach Art der schädigenden Schallwellen, der Begleitumstände und der Auswirkungen auf das Ohr, das Knalltrauma, das akute Lärmtrauma und der akustische Unfall, wobei als gemeinsames Merkmal das plötzliche Auftreten eines Hörverlustes anzusehen ist.

Kennzeichnend für das Knalltrauma ist ein kurzes und sehr lautes Schallerlebnis, wie z.B. durch einen Mündungsknall, einen Knallkörper, durch Tätigkeiten mit Pressluftnaglern und Bolzenschussgeräten. Für die Zusammenhangsbeurteilung ist hier wesentlich, ob die für die Annahme eines Knalltraumas erforderlichen notwendigen Druckspitzen zwischen 160 und 190 dB erreicht wurden, denn nur in diesem Fall ist das Ereignis geeignet, ein Knalltrauma zu verursachen.

Die im gegebenen Fall durchgeführten Messungen in einer Situation, die dem Ereignis vom 27.03.1997 ähnlich war, ergaben jedoch nur einen Spitzenpegel von 132,9 dB (C) und einen durchschnittlichen Pegel von 108,7 dB (A), so dass von einer Schädigung des Hörvermögens des Klägers durch ein Knalltrauma nicht auszugehen ist.

Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Explosionstraumas liegen nicht vor. Zum einen reichen dafür nach den Ausführungen des Prof.Dr.A. auch hier die notwendigen Schalldruckspitzen nicht aus.

Zudem fehlt ein klinisches Korrelat eines Explosionstraumas. Regelmäßig ist bei einem Explosionstrauma auch das Mittelohr beteiligt, vielfach wird das Trommelfell verletzt, die Gehörknöchelchen können verschoben oder zerbrochen sein und oft kommt es auch zu einem Ohrenlaufen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S.414). Im gegebenen Fall fehlen entsprechende Begleitumstände.

Ebenso fehlen die Merkmale eines akuten Lärmtraumas. Extreme Lärmexpositionen von einigen Stunden oberhalb von 130 bis 160 dB können bei einem aktutem Lärmtrauma zur ein- oder doppelseitigen akuten Schwerhörigkeit führen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.415). Der maximale Impulsschallpegel wurde hier beim Bedienen der Bodendurchschlagsrakete mit einem Spitzenpegel von 132,9 dB (C) gemessen. Unter Berücksichtigung des Gehörschutzes mit einer Dämpfungswirkung von ca. 11 dB wurde aber der für das akute Lärmtrauma geforderte Schallpegel von 130 dB nicht erreicht. Zudem wäre zu erwarten, dass sich der Schallpegel auf das Hörvermögen beider Ohren ausgewirkt hätte. Darüber hinaus weist Prof.Dr.A. darauf hin, dass bei einem akuten Lärmtrauma innerhalb einiger Stunden oder Tage eine deutliche Besserung der Hörminderung zu erwarten wäre, welche jedoch hier nicht zu beobachten war.

Schließlich lassen sich auch nicht die Voraussetzungen eines akustischen Unfalls feststellen. Als akustischer Unfall wird das Auftreten einer einseitigen, oft hochgradigen Schwerhörigkeit bezeichnet, welche die Symptome eines Hörsturzes aufweist. Als ursächlich wird eine Minderdurchblutung des Ohres in Verbindung mit einer gleichzeitigen Lärmbelastung von mindestens 90 dB (A) angesehen. Die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs erfordert neben einer solchen Lärmbelastung ein Verdrehen des Kopfes mit einer Fehlbelastung der Halswirbelsäule, ein akutes Auftreten der Hörstörung in dieser Situation, ein positives Recruitment, das Fehlen von Gleichgewichtsstörungen sowie eine therapieresistente Innenohrschwerhörigkeit mit pancochlearem Kurvenverlauf (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S.414). Prof.Dr.A. führt dazu aus, der akustische Unfall könne bei einer Lärmeinwirkung mittlerer Intensität zwischen 90 und 120 dB (A) auftreten. Entsprechend der oben genannten Literatur setzt aber der akustische Unfall zum Zeitpunkt der Lärmeinwirkung zusätzlich eine Zwangsposition des Kopfes voraus, die eine Minderdurchblutung des Ohres verursachen könnte, die aber nach den Ausführungen des Prof.Dr.A. nicht vorlag. Der Kläger hatte weder eine entsprechende Zwangshaltung angesprochen, noch bei der Untersuchung eine solche demonstriert. Die von Prof.Dr.A. beschriebene Position des Kopfes bei der Lärmeinwirkung weist keine Besonderheiten auf. Bereits das Sozialgericht hatte den Kläger zum Termin am 30.03.2004 die am 27.03.1997 eingenommene Körperhaltung vorführen lassen. Eine Zwangsposition des Kopfes kann daraus nicht abgeleitet werden. Die in der Standardliteratur genannten Merkmale eines akustischen Unfalls liegen somit nicht vor (vgl. Feldmann, Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes, 5. Auflage, S.141).

 

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen  

L 6/3 U 473/97  

17.05.2001  

 

Hochtonschädigung:

...Alle Gutachter haben in Übereinstimmung mit der medizinischen Fachliteratur (vgl. Feldmann, Das Gutachten des HNO-Arztes, 4. Auflage, S. 132) darauf hingewiesen, dass es bei einem Explosions- bzw. Knalltrauma in der Regel zu einer Schädigung des Hörorgans im Hochfrequenzbereich kommt. Beim Kläger sind dagegen auch der mittlere und der Tieftonbereich betroffen, dies spricht nach den Ausführungen von Dr. P. und Prof. Dr. R. eher gegen einen Ursachenzusammenhang. ...  Die Hörstörung hat sich seit dem Unfall (nach den Angaben des Klägers) bzw. seit den ersten dokumentierten Messungen ab 1984 verschlechtert. Eine Progredienz der Innenohrschwerhörigkeit nach einem Knall- oder Explosionstrauma ist nach der neueren medizinischen Lehrmeinung zwar nicht völlig ausgeschlossen (vgl. Gutachten Dr. T.). Wie Prof. Dr. R. in diesem Zusammenhang jedoch einschränkend ausgeführt hat, ist mit einem Fortschreiten der Schwerhörigkeit dann zu rechnen, wenn die primäre Schädigung erheblich war und zwischen der primären Schädigung und dem jetzigen Zustand Brückensymptome vorliegen (vgl. dazu Feldmann, a.a.O., S. 383)...

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