Überfall

auf dem Weg von oder zur Arbeit

Opfer eines gezielten Attentats aus Gründen, die nicht mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen 

(Hessisches Landessozialgericht       L 3 U 1168/94       23.04.1997):

 https://openjur.de/u/291714.html
Kann trotz erschöpfender Aufklärung des Sachverhalts und eingehender Beweiswürdigung die Ungewißheit nicht beseitigt werden, ob der durch die versicherte Tätigkeit bedingte Weg von und zum Ort der Tätigkeit eine wesentliche Mitursache des Unfalls/Überfalls war oder aber betriebsfremde, persönliche Beziehungen zwischen Täter und Opfer hierfür von überragender und damit rechtlich allein wesentlicher Bedeutung gewesen sind, so ist der Kausalzusammenhang insgesamt nicht erwiesen, was zum Nachteil des Versicherten bzw. seiner Hinterbliebenen geht. Die Auslegung des § 550 RVO, daß bei Nichterweislichkeit betriebsfremder, persönlicher Tatmotive für den Überfall eben nur der betriebsbedingte Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit als wesentliche Ursache des Unfalls/Überfalls übrigbleibe, würde einer Rechtsvermutung für das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall/Überfall gleichkommen, die das BSG mit Recht für Unfälle auf der Betriebsstätte verneint hat (Krasney, a.a.O.; BSGE 19, 52).

Zwar vermag die Zwangsläufigkeit der Zurücklegung des versicherten Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit zur kritischen Zeit den inneren ursächlichen Zusammenhang des Überfalls mit der versicherten Tätigkeit in der Regel ohne weiteres dann zu begründen, wenn davon auszugehen ist, daß der Versicherte damit einer Gefahr des täglichen Lebens erlegen ist, der auch jeder andere Beschäftigte oder jede andere Person ausgesetzt gewesen wäre, die zur fraglichen Zeit den Ort des Geschehens passiert hätte.

Diese Fälle, in denen von der Rechtsprechung der Versicherungsschutz stets anerkannt worden ist, sind nach den zutreffenden Ausführungen der Beklagten jedoch gerade dadurch gekennzeichnet, daß zwischen Täter und Opfer keine Beziehungen bestanden bzw. die Beweggründe des Täters weder durch betriebsbedingte noch durch rein private Beziehungen zum Opfer beeinflußt waren, die den inneren ursächlichen Zusammenhang zwischen Überfall und versicherter Tätigkeit in Frage stellen könnten (s. BSGE 17, 75; 10, 56; BSG in BG 1963, 254).

Steht dagegen fest, daß der Versicherte bei Zurücklegung des Weges im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO nicht nur mehr oder weniger zufällig Opfer eines gewaltbereiten Täters geworden ist, sondern der Überfall für ihn bestimmt und geplant war und die Gewalttat sich nur und gerade gegen seine Person und Persönlichkeit richtete, so ist auch ein Sachverhalt, bei dem der ursächliche Zusammenhang zwischen Überfall und versicherter Tätigkeit grundsätzlich ohne weiteres zu bejahen ist, nicht gegeben, weil in einem solchen Fall nicht auszuschließen, sondern im Gegenteil gerade anzunehmen ist, daß Beziehungen zwischen Täter und Opfer durchaus bestanden, die den Beweggrund für die Tat abgegeben haben, wobei nur betriebsbedingte oder aber nicht betriebsbedingte, d.h. persönliche Beweggründe in Frage kommen. In diesen Fällen bedarf es zur Bejahung eines inneren ursächlichen Zusammenhangs zwischen Überfall und der versicherten Tätigkeit deshalb grundsätzlich der Feststellung eines nicht persönlichen, sondern betriebsbedingten Motivs für die gegen die Person des Versicherten gerichtete und speziell ihm zugedachte Tat oder, sofern ein solches nicht vorlag oder nicht bewiesen werden kann, der Feststellung, daß besondere Umstände bei der Zurücklegung des Weges die Tat erst ermöglicht oder zumindest wesentlich begünstigt haben.

Die Auffassung, daß in Fällen, in denen ein Angriff aus persönlicher Feindschaft oder ähnlichen betriebsfremden Beziehungen zwischen Angreifer und dem Überfallenen nicht nachgewiesen, d.h. nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (Vollbeweis), ein Entschädigungsanspruch immer gegeben ist und insbesondere in den Fällen zu bejahen ist, in denen bestimmte persönliche Beweggründe für den Überfall schon deshalb nicht feststellbar sind, weil der Täter nicht gefunden werden konnte (so HLSG in Breithaupt 1979, 25; Wittmann in SGB 1980, 384), kann lediglich für die Fälle geteilt werden, in denen nach den festgestellten Umständen auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Tat dem Angegriffenen höchstpersönlich zugedacht und gegen seine Person geplant war.

 

relativiert durch Hessisches Landessozialgericht  

 

L 3 U 82/06  

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=77191

 

12.02.2008 rechtskräftig : 

 

Kann ein Täter nicht ermittelt werden, kommt die Versagung des Versicherungsschutzes dann in Betracht, wenn der Versicherte einem gegen seine Person gerichteten geplanten Mordanschlag zum Opfer gefallen ist und alle möglichen Tatmotive der unbekannt gebliebenen Täter ausschließlich im Zusammenhang mit dem persönlichen Bereich des Versicherten und dortigen Auseinandersetzungen zu suchen sind, so dass ein betriebsbezogenes Motiv fehlt (vgl. zu alledem ebenfalls BSG Urteil vom 30. Juni 1998 – B 2 U 27/97 R).

Eine vergleichbare Eingrenzung der möglichen Tatmotive ist im vorliegenden Fall aber gerade nicht möglich; ein Tatmotiv ist nicht nachweisbar. Nach den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, ergab sich kein konkretes Tatmotiv. Es ergaben sich Hinweise auf eine Beziehungstat ebenso wie auf eine Tat im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit oder aber auch eine Verwechslungstat. Für keine dieser Varianten haben sich letztlich konkretere Hinweise oder gar Beweise ergeben, auch nicht für ein Tatmotiv aus dem privaten Umfeld des Klägers. Nach Durchsicht der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsunterlagen lässt sich keine Überzeugung dergestalt erlangen, dass neben einer Beziehungstat aus dem privaten Umfeld des Klägers eine Verwechslungstat oder auch eine betriebsbezogene Tat mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Nur für diesen Fall wäre es aber zu rechtfertigen, dass alle möglichen Tatmotive ausschließlich im Zusammenhang mit dem persönlichen Bereich des Versicherten zu suchen sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten lassen sich weder aus dem Umstand, dass es sich offensichtlich um eine geplante Tat gehandelt hat, noch aus der Tatsache, dass der Kläger den Eindruck gewonnen hat, dass der Täter wutgeladen war, als er auf ihn einschlug, Rückschlüsse auf ein konkretes Tatmotiv ziehen. Dies mag darauf hinweisen, dass der Täter den Kläger nicht zufällig ausgewählt und aus einem dem Opfer gegenüber empfundenen Zorn heraus gehandelt hat, und damit möglicherweise gegen eine Auftragstat sprechen; ein solches Verhalten kann aber ein Täter, der seine Motivation aus einem von ihm negativ empfundenen beruflichen Zusammentreffen mit dem Kläger zieht oder aber den Kläger einfach mit einer anderen Person verwechselt, ebenso an den Tag legen wie ein Täter, der im privaten Umfeld des Opfers zu suchen ist.

Da der Kläger sich vorliegend auf dem grundsätzlich versicherten Weg zur Arbeit befunden hat, als er überfallen wurde, obliegt es der Beklagten – will sie den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit widerlegen - zu beweisen, dass ausschließlich persönliche Tatmotive die Tat begründen. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen, der daraus ein Recht herleiten will. Dies ist vorliegend die Beklagte, da ausschließlich persönliche Tatmotive nicht nachweisbar sind.

Nach einem Raubüberfall während der Arbeit

oder einem anderen schrecklichen Geschehen während der Arbeit (z. B. für Arbeitnehmer, die Opfer eines Amoklaufs in einem Einkaufszentrum werden) steht der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung den Betroffenen mit gezielter Psychotherapie zur Seite: http://www.joachim-skupien.de/ptbs/index.php/home/trauma-behandlung/

zurück zum Glossar

BSG 18.06.2013, B 2 U 10/12 R

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=164685

"...cc. Nach diesen Maßstäben war das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte auch während des Aufenthalts in der Garage eine Ursache für die Einwirkung durch den Überfall des T. Objektiv mitursächlich hierfür war aber auch die persönliche Beziehung zwischen der Klägerin und T. Den vom LSG bindend festgestellten Umständen ist zu entnehmen, dass T. die Klägerin allein deshalb aufsuchte, weil diese die frühere engere Beziehung zu ihm gegen seinen Willen beendet hatte, und es infolgedessen zu dem Überfall kam. Die sich damit auf der zweiten Stufe stellende Frage, ob sich durch den Überfall rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen eine in den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung fallende Gefahr realisiert hat, ist zu verneinen. Zwar schützt die Wegeunfallversicherung nach ständiger Rechtsprechung auch vor Überfällen, denn die Auslegung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII ergibt, dass nach seinem Wortlaut und nach der historischen Entwicklung der Wegeunfallversicherung diese Gefahr vom Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung grundsätzlich erfasst wird (vgl zB BSG vom 10.12.1957 - 2 RU 270/55 - BSGE 6, 164, 167 mwN; vom 29.5.1962 - 2 RU 170/59 - BSGE 17, 75, 77 = SozR Nr 37 zu § 543 RVO; vom 15.12.1977 - 8 RU 58/77 - ErsK 1978, 111; vom 30.6.1998 - B 2 U 27/97 R - USK 98150; vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 27; so auch Krasney WzS 2012, 131, 132; aA wohl Mutschler SGb 2012, 684, 688; vgl auch das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 RmwN). Die weitere unversicherte Mitursache der persönlichen Beziehung zwischen der Klägerin und T. hat hier das Geschehen aber derart geprägt, dass auch unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten des Weges die versicherte Tätigkeit als Ursache zurücktritt und wesentliche Ursache allein die nicht vom Schutzzweck der Wegeunfallversicherung erfassten privaten Kontakte zwischen der Klägerin und T. waren...."

Zurück nach oben
Zurück nach oben
Momentan online: 1 Besucher